Freitag, 31. Januar 2014

Die unsichtbaren Leiden des Neuzeitdiabetikers - Heute: "Dein Tamagotchi hat Hunger!"

Hallo Freunde!

Dass ich eine Insulinpumpe trage ist offensichtlich und für mich eigentlich kein großes Problem. Das viel größere Handicap, als die ständige Präsenz und Handhabung der Pumpe, ist für mich der Umgang mit unqualifizierten (vielleicht auch wirklich lustig gemeinten) Kommentaren zu diesem Thema. Seit ich Pumpenträger bin (immerhin schon stolze 11 Jahre), sehe ich mich immer wieder in Situationen, in denen ich am liebsten einmal weit ausholen und zuhauen würde. Man möchte es vielleicht nicht glauben, aber ja, Sprüche a la "Hey, dein Tamagotchi hat Hunger!" nerven. Was anfangs noch lustig ist und ein scheinbares Tabuthema unter flüchtigen Bekannten auflockert, wird ganz schnell anstrengend. Und zwar richtig!

Ich gebe es ja zu: Wer austeilt, muss auch einstecken können, und im Austeilen bin ich Weltmeister! Ich habe mich schon oft gefragt, ob ich vielleicht einfach zu sensibel auf spitze Kommentare über meinen kleinen Alltagsbegleiter reagiere. Aber, nein, eigentlich sehe ich es nicht ein, mir regelmäßig Sprüche drücken lassen zu müssen wegen etwas, wozu ich garnichts kann. Ich habe mir schließlich weder den Diabetes, noch die Pumpe ausgesucht (auch wenn ich den kleinen Helfer im Nachhinein niemals wieder abgeben würde).

Trotzdem musste ich mir schon zu Beginn meiner Pumpikarriere immer wieder blöde Sprüche anhören. Besonders beliebt war damals "Ey, im Unterricht kein Handy!". Obwohl ja alle wussten, worum es sich eigentlich handelt, schreckten auch Lehrer nicht vor diesem scheinbar lustigen Kommentar zurück. Ist jetzt nicht zum heulen schlimm und beim ersten Mal vielleicht auch noch ganz lustig. Aber bei einem Mal bleibt es ja eh meistens nicht. Nervt.

Neben den harmlosen, meist aus Unsicherheit entstehenden Kommentaren dieser Art, erinnere ich mich noch gut an ein Erlebnis, das mich zu dem Zeitpunkt ziemlich aus der Bahn geworfen und lange beschäftigt hat. Ich glaube es war ca. in der 8.Klasse, als ich mitbekam, dass eine Mitschülerin über mich und meinen süßen Kumpel herzog. "Ach, die Anne gibt ja mit ihrem komischen Zucker nur an. Das ist halt das Einzige, was an der interessant ist." Mh. Da musste ich erstmal schlucken. War das wirklich so? Denken das alle über mich, oder entstammt dieser Mist wieder mal dem mehr oder minder bemittelten Hirn einer Einzelperson, die nichts besseres mit sich anzufangen weiß, als (entschuldigt den Ausdruck) gequirlte Scheiße über andere Menschen zu erzählen? Jetzt - mit Anfang 20 - entscheide ich mich für Letzteres.
Es mag am Alter gelegen haben, aber mit 13 war ich davon extrem getroffen und auch wenn ich heute daran zurückdenke, bildet sich ein dicker Kloß in meinem Hals. Ich kämpfe so hart. Wir alle tun das. Jeden Tag aufs neue geben wir unser Bestes, um die unausweichlichen, angsteinflößenden Folgen dieser Scheißkrankheit hinauszuzögern oder doch irgendwie zu vermeiden. Wir sind eingespannt. 24/7 erledigen wir einen Job, der eben gemacht werden muss, auch wenn es noch so wenig in den Kram passt. Um ein normales Leben zu führen müssen wir total unnormale Dinge tun. Pieksen. Stechen. Rechnen. Verzichten. Jeden. Einzelnen. Tag. Wie in Gottes Namen kann man mit sowas angeben?? Aber wie sagt der Pfälzer so schön...Dumm gebabbelt is' glei.

Heute werfen mich solche Sprüche nicht mehr so aus der Bahn. Ich weiß was ich kann und ich weiß, wie bewunderswert das ist, was wir Diabetiker jeden Tag leisten. Ich bin schon irgendwie stolz auf mich. Was mich heute in solchen Situationen rettet, ist das Wissen, dass keine dieser Lästerbacken diesen Job auch nur ansatzweise so gut machen würde, wie ich das schaffe. Ich muss mich nicht runtermachen oder von blöden Sprüchen nerven lassen. Auf ein "Dein Tamagotchi hat Hunger!" antworte ich "Hier, ich leih es dir gerne mal, dann kannst du es mal ein paar Tage pflegen und besser machen". Vergleicht mich einer der Pumpe wegen mit einem Roboter, rede ich mit Demjenigen in Robotersprache. Wenn es sein muss stundenlang. Nervt dann auch. Ihr habt es ja nicht anders gewollt.

Menschen sind nun mal, wie sie sind. Ich habe mich damit abgefunden, dass die meisten Leute versuchen, Unsicherheit durch "Humor" wettzumachen und zu allem ihren Senf dazugeben müssen. Ich habe aufgehört, mich für meine Krankheit, meine Insulinpumpe und meine BE-Zählerei zu rechtfertigen, oder mich ständig zu erklären. Klar, es ist mir - wie wahrscheinlich allen Diabetikern - lieber, wenn sich jemand ernsthaft für das interessiert, was ich da mache, oder auch mal ein paar Worte der Wertschätzung findet, aber das passiert leider wirklich selten (und wenn es doch mal passiert - Danke Mama, danke Matze! - dann macht mich das noch viel stolzer). Also werde ich weiter über Sprüche hinweghören und mir innerlich sagen "Reg dich nicht auf, die wissen's nicht besser." Lächeln. Nicken. "Arschloch" denken.

Kennt ihr das? Habt ihr auch solche Sprüche, die euch auf die Palme bringen? Was waren eure einschneidendsten Diabetes-Lästerattacken? Teilt sie mit mir! :)

Allen Mitsüßen und Nichtsüßen einen schönen Abend und einen guten Start ins Wochenende!
A





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