Montag, 9. Februar 2015

Am seidenen Faden: Spare a Rose - Save a Child

Lange ist's her. Sorry erstmal dafür. Nach wie vor steht mein Leben ein bisschen Kopf in den letzten Monaten. Es ist schon viel geschafft, aber noch viel mehr zu schaffen. Hausarbeiten, Bachelorarbeit, letzte Klausuren, mündliche Bachelorprüfung, Umzug, neue Uni, Bewerbung, Einschreibung, Sport, irgendwo was Essbares auftreiben und dann will man ja auch noch ein bisschen was vom Leben haben. Alles nicht so einfach. Ich hoffe daher, dass ihr mir mein spärliches Schreiben verzeiht, die restliche #dedoc liefert ja nach wie vor spannenden Input, an dem man sich sattlesen kann. Jetzt aber hier mal wieder ein bisschen Senf von mir.

Kürzlich ist mir das passiert, was mir schon ewig nicht mehr passiert ist. Keto. Und zwar so richtig. (Was es damit auf sich hat, könnt ihr hier nachlesen.) Das kommt davon, wenn man mal eben so schnell schnell den Katheter wechselt, bevor man in den Tag startet. Bereits beim Stechen hatte ich ein komisches Gefühl. Hätte ich doch bloß nochmal nachgeguckt. Aber ich war eh schon knapp dran, also habe ich nur noch vorsichtshalber schnell den Pen mit Insulin bestückt und in meine Tasche gepfeffert, bevor ich total gehetzt das Haus verließ. Bereits nach wenigen Stunden machten sich die typischen Symptome einer normalen Hyper bemerkbar: trockener Mund, Durst, Kopfschmerzen. Verhuscht wie ich war dachte ich aber bereits nicht mehr an das komische Gefühl beim Katheterwechsel und korrigierte den 200er Wert wie immer mit der Pumpe. Wird schon wieder, dachte ich mir, haste bestimmt wieder das Essen nicht richtig geschätzt. Aber es wurde irgendwie nicht.

Wieder zuhause war der BZ immer noch um die 200mg/dl. Na gut, dachte ich mir, korrigier ich eben nochmal und geh' ne Runde spazieren. Bewegung ist ja immer gut und senkt bekanntlich den Blutzucker. (Wer sich ein bisschen auskennt, weiß, dass man sich bei einem absoluten Insulinmangel auf keinen Fall bewegen darf.) Ich habe im Nachhinein keine Ahnung mehr, warum ich nicht eher auf den Trichter gekommen bin, dass wirklich was mit dem Katheter nicht stimmt. Aber manchmal ist das einfach so. Manchmal ist man blind. Also Schuhe geschnürt und raus in die Sonne.

Nach dem Spaziergang dann der Schock: 377mg/dl. Langsam dämmerte mir, was ich schon viel früher hätte bemerken sollen. Und plötzlich, ganz plötzlich, war mir kotzübel. Der Ketontest ergab +++. (Ketone können u.a. über einen simplen Urintest bestimmt werden. Man pinkelt über einen Teststreifen und bekommt per Farbskala das Ergebnis. Hellrosa bedeutet, dass keine Ketone vorhanden sind, dunkellila steht für +++, die höchstmögliche Ketonkonzentration im Urin, dazwischen gibt es Abstufungen.) Nach der ersten Korrektur mit dem Pen (20% des Tagesbedarfs) wechselte ich den Katheter und siehe da, sauber abgeknickt. Das komplette Insulin der letzten 8 Stunden hatte sich im Pflaster gesammelt. Spitzenmäßig.
Insgesamt musste ich zweimal 20% des Tagesbedarfs spritzen um von meinem Spitzenwert von 390mg/dl wieder runterzukommen. Außerdem bedurfte es ca. 5 Litern Wasser und einmal fast übergeben. Ich sag euch, es war kein Spaß.

Obwohl meine Insulinzufuhr "nur" 8 Stunden abgeschnitten war, ging es mir alles in allem richtig bescheiden. Das macht mir bewusst, wie abhängig ich wirklich von diesem Stöffchen bin, wie abhängig ca. 8 Mio. Menschen weltweit davon sind. Und wieder einmal wird mir bewusst, dass ich niemals mein jetziges Alter erreicht hätte, wäre ich nur 100 Jahre früher geboren worden. Wir Europäer sind wirklich privilegiert, was die Versorgung mit Hilfsmitteln und Medikamenten angeht. Wir haben modernste Messtechnik, können nahezu schmerzfrei, jetzt sogar fast ganz ohne Pieks, Blutzucker messen und Insulin spritzen, wir profitieren von CGM-Systemen und toller Sensortechnik. Und wir haben einen problemlosen Zugang zu unserem Lebenselixir. Doch es ist bei weitem nicht so, dass die Menschen überall auf der Welt so selbstverständlich mit der Diagnose Diabetes mellitus weiterleben, wie wir das tun. In vielen Ländern fehlen auch heute noch die Mittel, Menschen mit Diabetes auch nur die grundlegendste medizinische Versorgung zu gewähren. Was wir in unserem Alltag mit dem Diabetes oft vergessen ist, dass Diabetes wirklich tötet. Auch heute noch. Zwar nicht uns (zumindest nicht unmittelbar), aber dafür andere. Deshalb hat die IDF jetzt ein Programm ins Leben gerufen, das durch Spenden den Menschen in den nicht so wohlhabenden Teilen der Erde ein normales Leben mit Diabetes zu ermöglichen versucht. Unter dem Titel Spare a Rose - Save a Child sollte einfach JEDER (ja jeder), der das hier jetzt liest, eine virtuelle Rose (oder zwei, drei, vier, viele)  im Wert von 5€ kaufen. Mit einer Spende über fünf Euro wird ein Kind einen Monat lang mit all den Hilfsmitteln versorgt, die es zum (Über)Leben braucht.

Hier geht es nicht um mich. Ich hoffe aber, dass das Beispiel meiner kürzlichen Ketoazidose euch gezeigt hat, wie schnell das Leben eines Diabetikers vorbei sein kann, wenn er/sie nicht regelmäßig ausreichend mit Insulin versorgt werden kann. Wir leben in einer Welt des Überflusses (isso!) und es ist oft schwer sich vorzustellen, dass es anderswo an den grundlegendsten Dingen fehlt. Mir fehlt es an einer ordentlichen Bluejeans ohne Löcher, irgendwoanders fehlt es einem Kind an Insulin. Das schlimmste was mir passieren kann ist, dass ich ohne Hose aus dem Haus muss. Was das Kind erwartet, ist weitaus schlimmer.

Ich bin froh, im Hier und Jetzt zu leben. Glücklich darüber, so problemlos mit meiner Erkrankung leben zu dürfen. Es ist zwar auch hier und jetzt nicht immer einfach (wie das obige Beispiel zeigt), aber gut machbar. Klar, auch ich schiebe mal Hass auf den Diabetes. Im Wesentlichen aber geht es mir - geht es uns allen - gut. Richtig gut. Egal ob Diabetiker in Europa, Afrika oder Asien, letztendlich sitzen wir alle in einem Boot, also appelliere ich nochmal an euch - Diabetiker oder nicht: Gebt 5€. Schenkt Leben.

Hier nochmal der Link zur Spendenhomepage: http://www.p4dc.com/spare-a-rose/give/. Einfach die gewünschte Währung sowie den zu spendenden Betrag im drop-down Menü auswählen.

So und jetzt Ahoi, ihr Ganoven. Auf eine (noch) bessere Zukunft.
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