Montag, 23. März 2015

Happy Diaversary to Me!

Heute vor genau 15 Jahren wurde bei mir Diabetes diagnostiziert. Ich war acht, glücklich, lebensfroh und normal (bin ich immernoch, außer acht, das bin ich nicht mehr). Und wenn es eines gab, was ich hasste wie die Pest, dann waren das Spritzen, Nadeln, Kanülen, Piekser...schonmal schlechte Voraussetzungen für eine harmonische Beziehung mit meinem neuen "Freund". Wer mehr über meinen Tag X nachlesen möchte, der kann hier den Beitrag lesen, den ich dazu im Rahmen der Diabetes Blog Woche 2014 geschrieben habe.

Am 23. März 2000 waren glaube ich alle um mich herum geschockter als ich selbst und rückblickend bin ich froh, dass ich noch so klein war, als das Zuckermonster kam. Ich hatte eine normale Kindheit, durfte alles was andere Kinder auch durften, lernte Selbstständigkeit, und einen vernünftigen Umgang mit meinem eigenen Körper. Schnell und irgendwie auf natürliche Art und Weise entwickelte ich ein Verständnis dafür, was da in mir abgeht. Wie wahrscheinlich viele andere Diabeteskinder hatte ich in Sachkunde und Bio später immer den Erklärbär-Bonus, weil ich schon als Sechstklässler wusste, was eine Bauchspeicheldrüse ist und was sie so kann, oder in der Achten ein Referat über Diabetes in allen seinen Ausprägungen hielt.

In der Pubertät wurde der Freund zum Feind, es krachte jahrelang immer wieder. Auch normal. Und rückblickend nicht so schlimm, wie es sich damals anfühlte. Das Gefühl irgendwie doch nicht mehr so normal zu sein hat in dem Alter glaube ich jeder. Und das Gefühl meiner Aufgabe nicht mehr gewachsen zu sein, war ein reiner Trugschluss. Das weiß ich heute. Auch heute noch überkommt mich manchmal (mal mehr mal weniger) das Gefühl unter dem Druck, den ich mir selbst mache, zusammenzubrechen. Es gibt Tage (Wochen/Monate) da möchte ich am liebsten alles hinschmeißen. Kapitulieren, umdrehen, wegschauen, verdrängen. Auch normal. Aber genauso oft habe ich diese Hochs. Das Gefühl, gestärkt aus einer Konfliktsituation mit dem eigenen Körper hervorzugehen, es manchmal besser hinzukriegen, als die eigene Bauchspeicheldrüse es je hätte machen können, das ist es was mir zeigt, dass ich das, was ich da mache, gut mache. Und noch etwas bestärkt mich darin, genauso weiterzumachen wie bisher, Niederlagen nicht als Anlass zur Verzweiflung sondern zur Verbesserung zu nehmen und die Momente der Überlegenheit über den eigenen Körper als kleinen Sieg über den Schweinehund und die Zuckersau zu feiern: auch nach 15 Jahren Diabetes (mit zugegebenermaßen richtig bescheidenen Phasen) bin ich noch ohne Folgeschäden.

Und das ist es was ich heute feiere. Ich feiere mich und mein Durchhaltevermögen, meine Willenskraft, meine gute körperliche Verfassung, und ich feiere die Tatsache, dass ich in einem Land lebe in der das Überleben mit Diabetes mittlerweile selbstverständlich ist. Ich feiere meine Eltern und Großeltern, weil sie das alles so normal gemacht haben. Ich feiere meinen Bruder, weil er in der Zeit meiner Diagnose zurückstecken musste. Ich feiere meinen alten Diabetologen (in meiner Heimatstadt), zu dem ich bald zurückkehren werde und meine allererste und allertollste Diabetesberaterin (von der ich unheimlich viel lernen konnte). Ich feiere die Tatsache, dass ich Kuchen essen und Bierchen trinken kann, dass ich nicht mehr an feste Essens-, Schlaf-, und Sportzeiten gebunden bin, sondern mein Leben so leben kann, wie ich will. Ich feiere die guten und die schlechten Zeiten gleichermaßen, weil ich dankbar bin, all das überhaupt zu erleben. Klingt doof, ist aber so.
Und zuletzt feiere ich das größte und beste Diaversarygeschenk der Welt. Heute morgen flatterte nämlich die Mail von Abbott in mein Postfach, und ich konnte den Freestyle Libre bestellen.

So, jetzt hol ich mir Kaffee und Kuchen, damit der Zucker auch noch was von diesen Festivitäten hat. Ist ja schließlich sein Geburtstag.

Montag, 9. Februar 2015

Am seidenen Faden: Spare a Rose - Save a Child

Lange ist's her. Sorry erstmal dafür. Nach wie vor steht mein Leben ein bisschen Kopf in den letzten Monaten. Es ist schon viel geschafft, aber noch viel mehr zu schaffen. Hausarbeiten, Bachelorarbeit, letzte Klausuren, mündliche Bachelorprüfung, Umzug, neue Uni, Bewerbung, Einschreibung, Sport, irgendwo was Essbares auftreiben und dann will man ja auch noch ein bisschen was vom Leben haben. Alles nicht so einfach. Ich hoffe daher, dass ihr mir mein spärliches Schreiben verzeiht, die restliche #dedoc liefert ja nach wie vor spannenden Input, an dem man sich sattlesen kann. Jetzt aber hier mal wieder ein bisschen Senf von mir.

Kürzlich ist mir das passiert, was mir schon ewig nicht mehr passiert ist. Keto. Und zwar so richtig. (Was es damit auf sich hat, könnt ihr hier nachlesen.) Das kommt davon, wenn man mal eben so schnell schnell den Katheter wechselt, bevor man in den Tag startet. Bereits beim Stechen hatte ich ein komisches Gefühl. Hätte ich doch bloß nochmal nachgeguckt. Aber ich war eh schon knapp dran, also habe ich nur noch vorsichtshalber schnell den Pen mit Insulin bestückt und in meine Tasche gepfeffert, bevor ich total gehetzt das Haus verließ. Bereits nach wenigen Stunden machten sich die typischen Symptome einer normalen Hyper bemerkbar: trockener Mund, Durst, Kopfschmerzen. Verhuscht wie ich war dachte ich aber bereits nicht mehr an das komische Gefühl beim Katheterwechsel und korrigierte den 200er Wert wie immer mit der Pumpe. Wird schon wieder, dachte ich mir, haste bestimmt wieder das Essen nicht richtig geschätzt. Aber es wurde irgendwie nicht.

Wieder zuhause war der BZ immer noch um die 200mg/dl. Na gut, dachte ich mir, korrigier ich eben nochmal und geh' ne Runde spazieren. Bewegung ist ja immer gut und senkt bekanntlich den Blutzucker. (Wer sich ein bisschen auskennt, weiß, dass man sich bei einem absoluten Insulinmangel auf keinen Fall bewegen darf.) Ich habe im Nachhinein keine Ahnung mehr, warum ich nicht eher auf den Trichter gekommen bin, dass wirklich was mit dem Katheter nicht stimmt. Aber manchmal ist das einfach so. Manchmal ist man blind. Also Schuhe geschnürt und raus in die Sonne.

Nach dem Spaziergang dann der Schock: 377mg/dl. Langsam dämmerte mir, was ich schon viel früher hätte bemerken sollen. Und plötzlich, ganz plötzlich, war mir kotzübel. Der Ketontest ergab +++. (Ketone können u.a. über einen simplen Urintest bestimmt werden. Man pinkelt über einen Teststreifen und bekommt per Farbskala das Ergebnis. Hellrosa bedeutet, dass keine Ketone vorhanden sind, dunkellila steht für +++, die höchstmögliche Ketonkonzentration im Urin, dazwischen gibt es Abstufungen.) Nach der ersten Korrektur mit dem Pen (20% des Tagesbedarfs) wechselte ich den Katheter und siehe da, sauber abgeknickt. Das komplette Insulin der letzten 8 Stunden hatte sich im Pflaster gesammelt. Spitzenmäßig.
Insgesamt musste ich zweimal 20% des Tagesbedarfs spritzen um von meinem Spitzenwert von 390mg/dl wieder runterzukommen. Außerdem bedurfte es ca. 5 Litern Wasser und einmal fast übergeben. Ich sag euch, es war kein Spaß.

Obwohl meine Insulinzufuhr "nur" 8 Stunden abgeschnitten war, ging es mir alles in allem richtig bescheiden. Das macht mir bewusst, wie abhängig ich wirklich von diesem Stöffchen bin, wie abhängig ca. 8 Mio. Menschen weltweit davon sind. Und wieder einmal wird mir bewusst, dass ich niemals mein jetziges Alter erreicht hätte, wäre ich nur 100 Jahre früher geboren worden. Wir Europäer sind wirklich privilegiert, was die Versorgung mit Hilfsmitteln und Medikamenten angeht. Wir haben modernste Messtechnik, können nahezu schmerzfrei, jetzt sogar fast ganz ohne Pieks, Blutzucker messen und Insulin spritzen, wir profitieren von CGM-Systemen und toller Sensortechnik. Und wir haben einen problemlosen Zugang zu unserem Lebenselixir. Doch es ist bei weitem nicht so, dass die Menschen überall auf der Welt so selbstverständlich mit der Diagnose Diabetes mellitus weiterleben, wie wir das tun. In vielen Ländern fehlen auch heute noch die Mittel, Menschen mit Diabetes auch nur die grundlegendste medizinische Versorgung zu gewähren. Was wir in unserem Alltag mit dem Diabetes oft vergessen ist, dass Diabetes wirklich tötet. Auch heute noch. Zwar nicht uns (zumindest nicht unmittelbar), aber dafür andere. Deshalb hat die IDF jetzt ein Programm ins Leben gerufen, das durch Spenden den Menschen in den nicht so wohlhabenden Teilen der Erde ein normales Leben mit Diabetes zu ermöglichen versucht. Unter dem Titel Spare a Rose - Save a Child sollte einfach JEDER (ja jeder), der das hier jetzt liest, eine virtuelle Rose (oder zwei, drei, vier, viele)  im Wert von 5€ kaufen. Mit einer Spende über fünf Euro wird ein Kind einen Monat lang mit all den Hilfsmitteln versorgt, die es zum (Über)Leben braucht.

Hier geht es nicht um mich. Ich hoffe aber, dass das Beispiel meiner kürzlichen Ketoazidose euch gezeigt hat, wie schnell das Leben eines Diabetikers vorbei sein kann, wenn er/sie nicht regelmäßig ausreichend mit Insulin versorgt werden kann. Wir leben in einer Welt des Überflusses (isso!) und es ist oft schwer sich vorzustellen, dass es anderswo an den grundlegendsten Dingen fehlt. Mir fehlt es an einer ordentlichen Bluejeans ohne Löcher, irgendwoanders fehlt es einem Kind an Insulin. Das schlimmste was mir passieren kann ist, dass ich ohne Hose aus dem Haus muss. Was das Kind erwartet, ist weitaus schlimmer.

Ich bin froh, im Hier und Jetzt zu leben. Glücklich darüber, so problemlos mit meiner Erkrankung leben zu dürfen. Es ist zwar auch hier und jetzt nicht immer einfach (wie das obige Beispiel zeigt), aber gut machbar. Klar, auch ich schiebe mal Hass auf den Diabetes. Im Wesentlichen aber geht es mir - geht es uns allen - gut. Richtig gut. Egal ob Diabetiker in Europa, Afrika oder Asien, letztendlich sitzen wir alle in einem Boot, also appelliere ich nochmal an euch - Diabetiker oder nicht: Gebt 5€. Schenkt Leben.

Hier nochmal der Link zur Spendenhomepage: http://www.p4dc.com/spare-a-rose/give/. Einfach die gewünschte Währung sowie den zu spendenden Betrag im drop-down Menü auswählen.

So und jetzt Ahoi, ihr Ganoven. Auf eine (noch) bessere Zukunft.
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