Montag, 22. September 2014

1. Diebetes Blog Woche - Montag

Wer von den Zuckernasen in den sozialen Netzweken einigermaßen aktiv ist, der wird schon von der 1. Diabetes Blog Woche gelesen haben. Ein super Idee wie ich finde und so möchte ich diese Gelegenheit nutzen, meinem (zugegebenermaßen etwas eingestaubten) Blog neues Leben einzuhauchen, wieder aktiv in Austausch mit anderen zu treten, sowie meinen eigenen kleinen Beitrag zur dedoc zu leisten.

Ein Brief soll es also sein. An den Diabetes. Aaaaaalrighty, then....

Lieber Schweineprister,

im Laufe unseres gemeinsamen Lebens habe ich dir schon viele Namen gegeben - Schweinepriester, Diabetessau, Zuckerseuche, Sch***-Ar***-Diabetes - allerlei Unschönes, Gemeines, Gerechtfertigtes. Gerechtfertigtes? Wirklich? Heute - nach fast 15 Jahren mit dir weiß ich die Antwort auf diese Frage: Nein!

Als du bei mir eingezogen bist (okay, ich war auch erst acht) war ich überfordert. Zumindest anfänglich. Messen und spritzen (OHMEINGOTTHATSIEGRADESPRITZENGESAGT??? MAMAAA!!), rechnen (ieh rechnen!!), verzichten, neues lernen, umstellen. Mit acht nicht so leicht. Dass es mit 22 auch nicht viel einfacher sein wird, davon hat mir damals keiner erzählt. Auch heute stolpere ich oft. Stolpere über Basalratentests die nicht klappen wollen, Pizzen die sich nicht berechnen lassen. Scheitere ab und zu an einer Tüte Haribo Phantasia und ärgere mich über die eigene Inkonsequenz. Trotzdem meistere ich dich. Ich meistere dich mal besser, mal schlechter, aber ich meistere dich. Und das allein. Du gibst mir Selbstvertrauen.

Du bist wirklich nicht einfach. Du erforderst Aufmerksamkeit, die ich manchmal meistens gerne anderen Dingen widmen würde. Ich muss mir nachts den Wecker stellen (oder eher 3, weil ich die ersten beiden eiskalt überschlafe), muss mich mit Dawn-Phänomen, glykämischem Index und Fett-Protein-Einheiten rumschlagen. Muss mich über den Burger von gestern Abend ärgern (Hallo...wie daneben ist das denn bitte? Welcher normale Mensch ärgert sich schon über einen Burger??) und bei meiner Cola im Restaurant Zucker messen, weil man den Kellnern heute nicht mehr vertrauen kann. Ich muss mir Katheter setzen ("Ieh, Katheter, ist das nicht was mit Pipi?" - "NEIN MANN!!") und mich Stunden später wundern, warum mein Zucker fast entgleist. Ich muss (manchmal echt blöde) Fragen beantworten und habe nicht das Recht mich aufzuregen, wenn Leute doofe Sprüche drücken (weil macht man nicht). Ich muss in der Bahn meinen Blutzucker testen und Blicke á la "Ieh, muss die das hier machen?!" (Ja verdammt, muss ich!) über mich ergehen lassen. Das alles mache ich nicht zum Spaß, ich mache das wegen dir. Du stellst Herausforderungen. Ich bin an dir gewachsen.

Als chronische Autoimmunkrankheit hast du viele Gesichter. Du bist wankelmütig und (wenn man am wenigsten damit rechnet) konstant. Du bist rebellisch und manchmal ganz sanft. Du bist hoch und tief, laut und leise. Aber vor allem bist du eines: Du bist akut und du bist langfristig. Diese Langfristigkeit vergesse ich im schnöden Alltagsbrei mal ganz gerne. Wie gut unser gemeinsames Leben jetzt grade in diesem Moment funktioniert, bestimmt unsere Zukunft. Bestimmt MEINE Zukunft. Es gibt Tage da frage ich mich, ob ich das alles gut genug mache. Mache ich das alles so gut, dass es mir auch in 30 oder 40 Jahren noch gut geht? Mache ich das alles so gut, dass ich ohne Folgeschäden aus dieser Sache rauskomme? Vielleicht ist es genau meine Angst davor, dass die Antwort "nein" lauten könnte, die mich das Leben lieben lässt. Durch dich habe ich gelernt, das Leben zu lieben.

Ich könnte noch bestimmt zehn weitere positive Dinge aufzählen, die du zu meinem Leben beigetragen hast, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Alles was ich noch sagen möchte ist das:
Ich habe gelernt dich zu akzeptieren, habe gelernt zu akzeptieren, dass du den Rest meines Lebens dasein wirst, irgendwo da hinten im Schlepptau. Und genau das ist der Punkt. Ich gehe voraus, du folgst. Und solange das so bleibt, darfst du gerne weiter bei mir Unterschlupf suchen, du kleiner, gemeiner Scheißer.

In (Hass)Liebe,
deine Anne





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